Zwei Mönche
Zwei Mönche waren auf der Wanderschaft. Eines Tages kamen sie an einen Fluss.
Dort stand eine junge Frau mit wunderschönen Kleidern. Offenbar wollte sie über den Fluss, doch da das Wasser sehr tief war, konnte sie den Fluss nicht durchqueren, ohne ihre Kleider zu beschädigen.
Ohne zu zögern ging einer der Mönche auf die Frau zu, hob sie auf seine Schultern und watete mit ihr durch das Wasser. Auf der anderen Flussseite setzte er sie trocken ab.
Nachdem der andere Mönch auch durch den Fluss gewatet war, setzten die beiden ihre Wanderung fort.
Nach etwa einer Stunde fing der eine Mönch an, den anderen zu kritisieren: " Du weißt schon, dass das, was Du getan hast, nicht richtig war, nicht wahr? Du weißt, wir dürfen keinen nahen Kontakt mit Frauen haben. Wie konntest Du nur gegen diese Regel verstoßen?"
Der Mönch, der die Frau durch den Fluss getragen hatte, hörte sich die Vorwürfe des anderen ruhig an. Dann antwortete er: "Ich habe die Frau vor einer Stunde am Fluss abgesetzt - warum trägst Du sie immer noch mit Dir herum?"


Viele Interpretationsmöglichkeiten bieten sich hier an. Es geht nicht darum, diese Geschichte auszuloten oder ein "richtiges" Verständnis zu bekommen.

Einmal geht es um Regeln, deren Einhaltung und die Folgen eines Regelverstoßes. Wer macht sich schuldig? Wer ist moralisch im Recht? Darf der Beobachter des Regelverstoßes den anderen beschuldigen oder beschämen?
Wann darf eine Regel gebrochen werden? Die Einhaltung hätte dazu geführt, der jungen Frau nicht zu helfen.
Auch die inneren und äußeren Folgen des Regelverstoßes werden angesprochen. Man kann sich über sich selbst oder andere ärgern, erst still und leise, dann offen vorwurfsvoll und anklagend, wie der eine Mönch reagiert, während der andere frei von Schuld und Scham seinen Weg fortzusetzen scheint.
Zwei Arten von Selbstgerechtigkeit werden benannt und eine Lösung für das beschriebene moralische Dilemma angeboten.
Dienstag, 7. Oktober 2003, 12:26, von frisbee | |comment

 
Die Mönche
sind nicht in erster Linie Mönche, um Regeln einzuhalten, sondern um zu helfen. Für jemanden der Hilfe braucht, dürfen Regeln in die zweite Reihe gestellt werden.

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