So what?! Was sind 20 Jahre?
H. von Foerster erzählt:
Mein Onkel Erwin Lang geriet schon bald nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs in russische Gefangenschaft, wurde nach Sibirien transportiert und konnte 1917 - als die russische Weltmacht zusammenbrach - in Richtung Osten fliehen. Er reiste bis nach China und landete schließlich in der deutschen Siedlung Tsingtau, wo er dem Gelehrten Richard Wilhelm begegnete, dem Übersetzer des 1 Ging, der ihn in die Ideen des Taoismus einführte. Über seine Vermittlung und eine Empfehlung gelangte Erwin Lang auch in ein zwei Tageswanderungen entferntes taoistisches Kloster. Dort fragte er - immer noch in der Ungewissheit, ob der Krieg vielleicht noch nicht zu Ende war, ob und wo noch gekämpft wurde - einen der Mönche nach Zeitungen. Natürlich, so antwortete dieser, haben wir Zeitungen; man sei im Besitz einer riesigen Bibliothek. Mein Onkel war erstaunt und erkundigte sich, ob er vielleicht die österreichische Neue Freie Presse bekommen könne. Natürlich, sagte der Mönch, man sei im Besitz von Zeitungen aus der ganzen Welt. Er führte ihn in das Archiv des Klosters, suchte ein wenig herum - und brachte ihm die aktuellste Ausgabe der Neuen Freien Presse, die sie in diesem Kloster hatten. Sie stammte vom 15. Februar 1895. Erwin Lang war natürlich einigermaßen konsterniert und wies darauf hin, dass dieses Exemplar über 20 Jahre alt sei. Der Mönch schaute ihn an und sagte: „So what?! Was sind 20 Jahre?" In diesem Moment begann mein Onkel, den Taoismus zu verstehen: Zeit spielte in dieser Welt keine Rolle, Aktualität schien nicht weiter wichtig.
Die Rolle des Beobachter oder der Zuschauer erfindet sich seine Welt.
Freitag, 7. November 2003, 09:40, von frisbee | |comment

 
Das Privileg
der Mönche und in ähnlicher Abschottung vom Rest der Welt lebender Menschen ist es wohl, sich von den Zeitläuften nicht treiben zu lassen. Das war und ist in christlichen Klöstern sicher nicht anders.
Aber es ist natürlich so rein gar nicht übertragbar auf das "normale Leben", das wir kennen.
Denkt man.
Von daher ein Vorstoß in den Alltag, ein Piekser in unsere Wahrnehmungsgewohnheit.
Danke.

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Solange es nur bei einem Piekser bleibt ... ;-)

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