Samstag, 25. Oktober 2003
Innen und außen
„Der Surrealismus will den alten Gegensatz zwischen dem Ich und der Welt, dem Innen und Außen aufheben, indem er Dinge schafft, die innen und außen zugleich sind.“
(Octavio Paz, Der Surrealismus)

Von frisbee um 01:53h| 6 Kommentare |comment
 

Befindlichkeiten II
Um auf einem Stadtplan festzustellen, wo man sich befindet, muß man zum eigenen Standpunkt eine Beobachterposition einnehmen. Auch in der Selbst- und Fremdwahrnehmung steigt man wie ein Jäger auf den Hochsitz, um die Waldlichtung zu beobachten. Nur die Blickrichtung ändert sich, nach innen oder außen gerichtet.

Interessant wird es dann, wenn man zu dieser Beobachtung eine Beobachterperspektive einnimmt. Dieser Beobachter 2. Ordnung beobachtet den Beobachter 1. Ordnung.

Sprache, Worte, Begriffe und Namen sind im Grunde geronnene Formen und Ergebnis der Beobachtung 1. Ordnung. Bewertungen sagen erst einmal etwas über die Blickrichtung des Beobachters 1. Ordnung aus.

Auf diesem Hintergrund werden die Beispiele von R.D. Laing vielleicht verdeutlicht, weil hier die Verflechtung der Beobachtungsebenen anschaulich verdeutlicht wird.

Von frisbee um 01:34h| 3 Kommentare |comment
 

Befindlichkeiten
Wenn man sich fragt, weshalb Menschen sprechen, was den Motor für die Sprachentwicklung abgibt, gibt es zwei Lager:

die einen sehen den Austausch von überlebenssichernden Informationen als wichtigen Faktor, die anderen den Austausch über soziale Prozesse (wie man sich selbst sieht, die anderen im Vergleich sieht, wie man etwas findet im Sinne von bewertenden Äußerungen [gut oder schlecht], was man selbst tut und andere tun), auch Selbst- und Fremwahrnehmung genannt.
Ein englischer Sprachwissenschaftlicher, dessen Namen ich leider vergessen habe, vertreibt sich die Zeit als professioneller Lauscher von Gesprächssituationen, im Café, der Eisenbahn, dem Wartezimmer und anderen Situationen. Die Inhaltsanalyse dieser Gespräche ergab, dass sich ca. 2/3 der Inhalte um die sozialen Prozesse drehen und der Austausch von Informationen ca. 1/3 ausmacht. Er selbst hatte nur auf ein Drittel als Anteil getippt.

In diesem Zusammenhang sehe ich den von mir benutzten Begriff des "Befindlichkeitsbloggings" als neutral an. Er war keinesfalls abwertend gemeint.

Von frisbee um 22:09h| 3 Kommentare |comment
 

Vom Niemand zum Fernsehblogger
schreibstyles verständlicher Wunsch nach Austausch und Resonanz, der in einer kleinen und eher geschlossenen Gruppe eher erfüllt wird, verweist auf das Bedürfnis, wahrgenommen und beachtet zu werden.
Sich auszudrücken und Eindruck machen zu wollen, Interesse hervorzurufen, etwas mitzuteilen und mit anderen zu teilen sind durchaus vertraute Motive.
Der eine mag es, bewundert zu werden, im Rampenlicht der (Blog-)Öffentlichkeit zu stehen und verkündet die Zahl der Besucher und Seitenaufrufe. Man weiß nicht, ob es die reine Freude über das Interesse ist oder in Richtung narzißtischer Befriedigung geht.
Der andere achtet darauf, dass vielleicht einer für sich etwas damit etwas anfangen kann. Alles andere wird für unwichtig gehalten. Qualität statt Masse, auch im Beeindrucken.
Eine weite Spannbreite ergibt sich durch themenspezifische Blogs sowie das Befindlichkeitsblogging und der diversen Mischformen. Aus meiner Sicht kann jeder sich in diesem Spektrum seinen Platz aussuchen.
Manche schalten die Kommentarfunktion sogar ab. Dies geschieht jedoch eher dann, wenn sich zuviele Trolle im Blog tummeln.
Mehr als anreißen will ich das Thema nicht, vermutlich auch, weil es auf die damit verbundenen Fragen soviel Antworten gibt, wie es Menschen gibt, die sich diese Fragen stellen.

Von frisbee um 10:43h| 3 Kommentare |comment
 

Freitag, 24. Oktober 2003
Pause
Pierre Reverdy zum Gedenken

Einige Vögel
Haben schwarze
Gedanken.

Rauschen von Bäumen,
Lärm von Zügen und Motoren -
Kommt dieser Augenblick oder ist er vergangen?

Die Stille der Sonne
Dringt in Lachen und Seufzer ein,
Treibt ihren Dorn tief ein
Bis zum Steinschrei der Steine.

Sonne-Herz, Milch gebender Stein,
Blutstein, der Früchte trägt:
Die Wunden öffnen sich und schmerzen nicht,
Mein Leben fließt wie das Leben dahin.

Octavio Paz (Übersetzung: Johannes Beilharz)

Von frisbee um 01:29h| 0 Kommentare |comment
 

Ein Spiel spielen, indem (in dem) man nicht mitspielt
Sie spielen ein Spiel.
Sie spielen damit, kein Spiel zu spielen.
Zeige ich ihnen, daß ich sie spielen sehe,
dann breche ich die Regeln, und sie werden mich bestrafen.
Ich muß ihr Spiel, nicht zu sehen, daß ich das Spiel sehe, spielen.

R.D. Laing. Knoten

Von frisbee um 21:14h| 2 Kommentare |comment
 

Klug sein
Wie klug muß man sein, um dumm zu sein?

Die anderen sagten ihr, sie sei dumm. Also machte sie
sich selbst dumm, um nicht sehen zu müssen, wie dumm
die anderen waren zu glauben, sie sei dumm,
weil es schlecht wäre zu glauben, die anderen seien dumm.
Sie zog es vor dumm und gut
anstatt schlecht und klug zu sein.

Es ist schlecht dumm zu sein: sie muß klug sein
um so gut und dumm zu sein.
Es ist schlecht klug zu sein, weil es zeigt,
wie dumm die anderen waren
ihr zu sagen, wie dumm sie sei. -

Ronald D. Laing, Knoten.

Von frisbee um 21:06h| 0 Kommentare |comment
 

Regeln und Erwartungen
Der Meister hielt den Menschen immer wieder ihre roboterhafte Lebensweise vor Augen: "Wie kannst du dich Mensch nennen, wenn jedes Denken, jedes Fühlen und Handeln mechanisch vor sich geht und nicht aus dir selbst kommt, sondern deiner Beeinflussung oder deinem Programmiert-Sein entspringt?"
"Kann etwas dieses Programmiert-Sein durchbrechen und uns davon loslösen?" fragte ein Schüler.
"Ja, Bewußtheit."
Und nach kurzem Nachdenken fügte er hinzu: "Und eine Katastrophe."
"Eine Katastrophe?"
"Ja. Ein sehr englischer Engländer erzählte mir einmal, daß er nach einem Schiffsbruch mitten im Ozean mit einem anderen Engländer eine ganze Stunde lang im Meer geschwommen war, bis es ihm endlich gelang, sich von seinem Programmiert-Sein zu befreien und zu sprechen, ohne vorgestellt zu sein!"
"Was sagte er?"
"Er sagte: ´Entschuldigen Sie, daß ich Sie so anspreche, ohne vorgestellt worden zu sein, aber ist das die Richtung nach Southhampton?´"


Es paßt so schön zur vorherigen Geschichte. ;-)

Von frisbee um 10:08h| 0 Kommentare |comment
 

Verantwortung
Der Meister begab sich mit einem seiner Schüler auf eine Reise. Draußen vor dem Dorf trafen sie den Gouverneur, der irrtümlicherweise annahm, sie kämen, ihn in dem Dorf willkommen zu heißen. Er sagte also: "Ihr hättet euch wirklich nicht die Mühe zu machen brauchen, um mich zu begrüßen."
"Ihr irrt, Hoheit", sagte der Schüler. "Wir sind unterwegs auf einer Reise, aber hätten wir gewußt, daß ihr kommt, hätten wir keine Mühe gescheut, Euch willkommen zu heißen."
Der Meister sagte kein Wort. Gegen Abend bemerkte er: "Mußtest du ihm erzählen, daß wir nicht gekommen waren, ihn zu begrüßen? Hast du bemerkt, wie blamiert er sich fühlte?"
"Hätten wir ihm aber nicht die Wahrheit gesagt, dann wären wir der Täuschung schuldig geworden."
"Wir hätten ihn überhaupt nicht getäuscht", sagte der Meister. "Er hätte sich selbst getäuscht."

Vielleicht sind wir selbst häufiger Opfer der eigenen Erwartungen als dass wir andere zum Opfer unserer Erwartungen machen.

Von frisbee um 09:59h| 4 Kommentare |comment
 

Donnerstag, 23. Oktober 2003
Eigenwerbung


Nicht wirklich ;-)

Von frisbee um 00:57h| 5 Kommentare |comment
 

Ich bin unbescheiden
sprach der Bescheidene und wurde fortan in Ruhe gelassen.

Von frisbee um 23:33h| 0 Kommentare |comment
 

Lieblingseinbildung
Die Einbildung, nicht eingebildet zu sein.

Von frisbee um 23:25h| 0 Kommentare |comment
 

Selbstmanagement-Ansatz
Wer anderen einen Fisch schenkt, gibt ihnen zu essen für einen Tag.
Wer sie das Fischen lehrt, gibt ihnen zu essen ein Leben lang.
(Chinesisches Sprichwort)
Als Vertiefung des Problemlöse-Themas ein guter Artikel dazu. Interessant hier das 7-stufige Vorgehen, das Menschenbild und die empirische Fundierung des Ansatzes.
Wenn man sich selbst als Firma betrachtet, geht es um gutes Management der Ich-AG. ;-)

Von frisbee um 10:36h| 0 Kommentare |comment
 

Problemlösen im sozialen Kontext
Das "richtige" Denken dahinter (Spivack, Platt & Shure, 1976)
1. soziale Probleme sensibel wahrnehmen (Erkennen sozialer Probleme, Bereitschaft, an deren Verbesserung zu arbeiten).
2. kausales Denken (sehen, daß das eigene Fühlen und Handeln mit dem Verhalten anderer Menschen in Beziehung steht)
3. Denken in Lösungsalternativen (Entwicklung alternativer Lösungen, keine vorzeitige Festlegung auf die "bestmögliche" Lösung).
4. Die Antizipation von Konsequenzen (Durchdenken der Lösungsfolgen).
5. Mittel-Ziel-Denken (Entwicklung von Plänen zur Zielerreichung)
6. Den gewohnten Handlungsablauf zunächst zu unterbrechen ("stop, look, listen, ask, don´t rush, think!").
7. Was ist das Problem?
8. Was sind die relevanten Tatsachen?
9. Wie sieht der Handlungspartner das Problem? Welches Ziel wäre angebracht?
10. Was könnte ich tun?
11. Welche Folgen würden diese Lösungsmöglichkeiten haben?
12. Was könnte als nächstes geschehen?

Von frisbee um 02:21h| 1 Kommentar |comment